Ihr kennt ja das Prozedere mittlerweile. Sonntag, Geschichtstunde, falls ihr die vorherigen Episoden verpasst habt, könnt ihr diese unter dem Reiter „Historie“ ganz simpel nachlesen. Ansonsten wünsche ich euch nun gute Unterhaltung mit dem vorletzten Text unserer Reihe, der sicherlich auch einige Kontroversen behandelt.
Das Erbe des FC Sachsen
Wie es zur Neugründung kam habe ich euch bereits kurz beschrieben. Was viele Nicht-Leutzscher oder jüngere Chemiker nicht wissen ist, dass es noch einen neugegründeten Verein gab, der die Erbe des FC Sachsen antreten wollte. „SG Leipzig-Leutzsch“ oder SGLL nannte sich dieser – bis heute zurecht verhasst in Leutzsch. 2011 gegründet als Nachfolger des FC Sachsen, übernahm der Verein das Startrecht im Spielbetrieb der Reserve des Pleiteklubs und spielte direkt Sachsenliga. Außerdem wurde der Verein Hauptmieter im AKS. Die Fans (im Schnitt 500) waren im Normalfall klar dem rechten Spektrum zuzuordnen. Obwohl man nach offiziellen Aussagen keine Politik auf den Rängen wollte.
Dabei ging Politik in Leutzsch schon lange davor los. Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre gründeten sich erste Fanklubs, zu DDR-Zeiten keine Selbstverständlichkeit. „Fanclub Delitzsch“, „Fanclub West“ oder „Die grünen Engel“ hießen diese zum Beispiel. Damals ging es hauptsächlich darum gegen den verhassten Staat zu rebellieren (O-Ton von Jens Fuge aus dem Hörfehler). Man erstellte kleine Fanzines, richtete Fanturniere gegen Fans anderer Vereine aus und und und. Man machte halt das worauf man Bock hatte und was man für richtig hielt. Doch das sah der Staat nicht gerne. Nicht selten wurden Chemiker von der Stasi wegen solchen Angelegenheiten vorgeladen.
Bis zu den 1990er Jahren führten die Fans eine Freundschaft zu Wismut Aue, auch heute existiert die Freundschaft unter „Kutten“ noch. Außerdem gab es einzelne Kontakte zu Union Berlin und zum Bonner SC.
In den 80ern und 90ern gab es dann fast überall in den ostdeutschen Kurven einen Rechtsruck. Auch in Leutzsch. U-Bahnlieder wurden gesungen, Springerstiefel getragen und der eigentlich zur Provokation gegen die DDR bestimmte Schlachtruf „Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher.“ bekam nun eine andere Bedeutung.
Der Fanclub „Männermilch“ leistete dem als erster in Leutzsch Widerstand. Man stimmte als – eher kleinere – Gruppe einfach andere Lieder an oder hing bei einem Spiel an der Alten Försterei gegen Union Berlin ein „Juden Chemie“-Transparent im Gästeblock auf, in Anlehnung an die „Juden Berlin“-Rufe der Leutzscher Nazis. Einge dieser Fanklub-Mitglieder waren später an der Gründung des Roten Stern Leipzig beteiligt.
Das war aber auch Inspiration für einige Jugendliche und Heranwachsende eine linke Ultragruppe zu gründen, heute Diablos Leutzsch. Das war im Jahr 2000, 1997 gründeten sich die „Metastasen“. Anfangs als Gruppe „die die eigenen Fans vor feindlichen Angriffen der Gegner schützen wollte“ (das kennt man doch irgendwoher, oder lieber Cottaweg?). Schnell entwickelte die Gruppe sich zu einem rechten Fanklub bzw. zu einer Hooligan-Gruppierung. Das gipfelte auch immer wieder in körperlichen Auseinandersetzungen mit den Diablos.
Während der Diablos und ihrer Anwesenheit konnte das ganze, zumindest im Stadion, augenscheinlich im Schach gehalten werden werden. Nach Boykott derer in der Saison 07/08 gab es aber beim FC Sachsen wieder U-Bahnlieder und andere rechte Meinungsäußerungen in der Kurve.
Naja, diese Menschen schlossen sich jedenfalls der SG Leipzig-Leutzsch an. Nehmen wir beispielsweise den 04.09.2011, der RSL ist im AKS bei der SGLL zu Gast. U-Bahn Lieder, Führerlieder, Nazigegröle, Sieg-Heil-Rufe. Um weiter zu zitieren: „Teutonisch, barbarisch, wir Leutzscher, wir sind arisch“ oder „Frei, sozial und national“. Noch besser wurde es, als Präsident und Mitgründer der SGLL, Jamal Engel, der davon nichts gehört haben wollte, obendrein noch sagte dass Fußball und Politik ja sowieso zwei verschiedene paar Schuhe seien.
Die RSL-Fans zeigten ein Transparent mit „Ihr werdet nie Chemie sein!“. Damit ist wohl alles gesagt.
Es gab immer wieder das Vorhaben der falschen Leutzscher die Vereine zu fusionieren. Darauf wurde aber Gottseidank nie eingegangen. Letztendlich blockierte die SGLL die Entwicklung der neuen BSG Chemie nur. Die heutigen wieder vorhandenen Leutzscher Tugenden und Werte sind also das Ergebnis jahrelanger Kämpfe – sowohl auf Fanebene als auch auf Vereinsebene.
2013 nannte sich der finanziell klamme Verein in „SG Sachsen Leipzig“ um, und meldete am 05.05.2014 Insolvenz an. Ein guter Tag für den Leutzscher Fußball. Seit Oktober 2014 existiert dann leider doch noch ein Nachfolgeverein vom Nachfolgeverein. Der „LFV Sachsen Leipzig“. Selbiges Klientiel. Heute unterwegs in der Stadtklasse an der Merseburger Straße vor weniger Zuschauern als eine Touristen-Rundführung in den Gradierwerken Bad Kösen.
Das war der vorletzte Text über die Geschichte des Fußballs in Leutzsch. Nächsten Sonntag folgt dann der letzte Text über die neue und heutige BSG Chemie Leipzig. Falls ihr nicht so lange warten könnt, dann schaut euch doch dieses Video an!
Das so ein eher rechtes Klientel bei der LFV Sachsen Neugründung zu finden ist,entspricht laut meinen eigenen Auffassungen nicht der Wahrheit. Ja sicher,dort hampeln nur 40 Leute herum (und das mit dem Namen) aber rechte Spinner oder vergleichbare Klientel wie bei den von euch oben genannten Vereinen gibt es dort de facto nicht. Ein trauriger Haufen ist es dennoch.