Weiter geht’s in der Geschichtsstunde ĂŒber unsere ruhmreiche BSG! Ihr habt den ersten Teil verpasst, dann solltet ihr hier klicken und diesen nachlesen. đ
Der Beginn vom Mythos „Chemie“
Ende 1949 gliedern sich aus der ZSG Industrie zwei eigenstĂ€ndige Vereine aus. Daraus werden die „ZSG Industrie Leutzsch“ (heute „SV Leipzig Nordwest„) und „ZSG Industrie Hafen“ (heute „SpVgg 1899 Leipzig„). Am 16.08.1950 wird dann aus der ZSG Industrie Leipzig dann die „Betriebssportgemeinschaft Chemie Leipzig„. Und das Mitten in der Saison!
Grund dafĂŒr ist die Umstrukturierung des Sports in der DDR. GroĂe Wirtschaftszweige werden zu Paten fĂŒr gröĂere Vereine. Da „ZSG Industrie“ den Zweig „Farben & Lacke“ gehörte, aber die Leutzscher einen chemieverarbeitenden Betrieb inne hatten, erfolgte der Namenswechsel.
Damals waren die Farben der Trikots tatsĂ€chlich Hellblau-WeiĂ bzw. WeiĂ-Dunkelblau. In dieser ersten Chemie-Saison kommen die Leutzscher bis ins Entscheidungsspiel um die Meisterschaft. Denn, Chemie hĂ€tte am letzten Spieltag ein Punkt bei Rotation Babelsberg zur Meisterschaft gereicht, verlor aber 2:3, und war durch den Sieg von Turbine Erfurt mit diesen Punkt- und Torgleich. Beim Entscheidungsspiel in Chemnitz strömten 60.000 Zuschauer, darunter 20-25.000 Chemiker ins damalige Ernst-ThĂ€lmann-Stadion. Durch Tore von Helbig und Krause gewinnt Chemie in einem spannenden und krĂ€ftezehrenden Spiel nicht unverdient mit 0:2. Den Meistertitel feiern die Leutzscher im Ostseebad KĂŒhlungsborn. Ausgerechnet in einer Villa die NS-Propagandaminister Göbbels nur wenige Jahre zuvor fĂŒr filmische Nazizwecke nutzte.
In der darauffolgenden Saison 1951/52 spielte Chemie das erste mal nicht in Hellblau oder Weinrot, sondern in GrĂŒn-WeiĂ. In selbiger Saison darf Chemie als erste deutsche Mannschaft nach Albanien fahren. Am 29. April 1952 brachen die Chemiker per Zug nach Bukarest auf, um dann dort das Passagierschiff gen Reiseziel zu verpassen, und so eine Woche in der rumĂ€nischen Hauptstadt verbringen zu mĂŒssen. Albanien wurde erst am 10. Mai 1952 passiert – nach 12 Tagen Reise also! Neben einen Rahmenprogramm wie Besuch des Partisanenmuseums oder ein Empfang inszeniert von hohen albanischen GenerĂ€len, wurde natĂŒrlich auch FuĂball gespielt. Dynamo Tirana, Partizan Tirana und eine Stadtauswahl aus selbiger Hauptstadt lauteten die Gegner. Allesamt wurden verloren. Die Leutzscher waren angehalten die freundschaftliche Beziehung der Staaten aufrechtzuerhalten, hielten sich gegen die oft ĂŒberharten Albaner stark zurĂŒck und mussten somit nur einstecken und durften gar nicht erst austeilen und hatten sportlich dem nur wenig entgegenzusetzen.
Im Winter 1952 kommt es zum Unglaublichen. Der „SV VorwĂ€rts Leipzig“ lockt gleich 7 (!) Spieler von Chemie zum Armeesportverein. NatĂŒrlich auch die Jungen mit der vielversprechendsten Perspektive. Vermutlich ging damals das alles mit dem vom Staat geförderten Verein eher weniger mit fairen Mitteln zu. Bestechung und Bedrohung gehörte wohl bei einigen Spielerwechseln dazu. Dennoch hĂ€lt die Mannschaft aufgestockt mit Spielern aus kleineren Vereinen aus dem Umland sensationell die Liga. Die geförderten Armee-FuĂballer mussten dagegen tatsĂ€chlich den Gang in Liga 2 antreten.
BSG Chemie Leipzig in der Saison 1952/53 (Oberliga); von links: Trainer Kunze, Schoppe, Stieglitz, Walther, Kott, Vetterke, Conrad, Zenker, Riedel, Polland, Krause, Rose, Busch, GeiĂler
Zu Beginn der Saison 53/54 hatte Chemie mit Koitzsch und Barnickel wiedermals zwei AbgĂ€nge die absolute Stammspieler waren. GlĂŒcklicherweise kam StĂŒrmer Rudi Krause von VorwĂ€rts Berlin zurĂŒck und Alfred Kunze wurde erstmals Trainer in Leutzsch. In dieser Saison wurde Chemie Vize-Meister hinter Turbine Erfurt.
Nach Saisonende dann der Supergau – Chemie wird aufgelöst. Auf der Sportkonferenz wird die Konzentrierung der TrĂ€gerbetriebe auf bestimmte StĂ€dt beschlossen. Das sind in Leipzig Wissenschaft, Rotation und Lok. Chemie sollte zu Halle/Leuna gehören. Aus Chemie wird der „SC Lokomotive Leipzig„. Am 5. September 1954 bestreitet der „neue“ Verein sein erstes Spiel – 0:2 gegen Karl-Marx-Stadt. 18.000 Zuschauer sind dabei – doch Chemie gibt es nun nicht mehr. Der Sportclub hat nur wenig mit den Leutzscher Verein zu tun, den die AnhĂ€nger so liebten. Auf lange Sicht blieb dem SC Lokomotive der Zuschauerzuspruch verwehrt.
Das war ein weiterer Text ĂŒber die Geschichte des FuĂballs in Leutzsch. NĂ€chsten Sonntag folgt dann der nĂ€chste Text der an das Ende dieses Artikels anknĂŒpft, und bishin zur legendĂ€ren Meisterschaft 1963/64 berichtet. Falls ihr nicht so lange warten könnt, dann schaut euch doch dieses Video an!
2 Responses
[…] geht mal wieder weiter in der chemischen Geschichtsstunde! Wenn ihr Teil I, II oder III verpasst habt, solltet ihr diese am besten noch nachholen, um im Bilde zu sein. Auch […]
[…] Der Mythos „Chemie Leipzig“ war beinahe tot. Der stolze und groĂe Verein pendelte zwischen den Ligen wie so mancher BerufstĂ€tiger in Leipzig. Doch eines blieb – die AnhĂ€nger. Sie waren immer da – nicht immer in den Zahlen der Vor- bzw. Oberligajahre, aber sie hielten stets die Treue. […]