Nach beinahe drei Wochen ohne Stadionbesuch dürstete es mir nach Live-Fußball. Da kam die geplante Tour, um den Resturlaub zu verballern, gerade Recht. In vier Tagen sollte ich vier Spiele (inklusive Chemie) sehen. Zunächst ging es nach Frankfurt. Ich entschied mich für eine Anreise per ICE. Tatsächlich ergatterte ich eine preisgünstige Fahrkarte und kam ohne nennenswerte Verspätungen trotz Sturmtief „Ingnatz“ kurz vor 15 Uhr in der Mainmetropole an.
Nach dem Einchecken im Hotel, was dank Gutschein sehr kostengünstig für eine Nacht in Laufnähe zum Waldstadion in Frankfurt-Niederrad bezogen wurde, machte ich mich auf zur Stadterkundung. Zum Mittag stärkte ich mich bei den 5 Männern und spazierte danach durch die leider nur kleine Frankfurter Altstadt. Natürlich wurde dabei auch der sagenumwobene Frankfurter Römer besichtigt, um dann festzustellen, dass die Gäste aus Griechenland dort ihren Treffpunkt ausgerufen hatten. Während ich sämtliche Touri-Bildchen knipste, erreichte Gate 7 unter Gesängen den Römer. Die schon bereitstehenden Cops beäugten dies eher gelangweilt.
Für mich ging es weiter über den Eisernen Steg auf die andere Mainseite. Könnte mir sehr gut vorstellen, hier im Sommer am Mainufer bei Bier und Snacks in der Sonne zu brutzeln. Nach einiger Zeit war dann aber auch die Zeit gekommen, um zum Waldstadion aufzubrechen, welches zurzeit den unwürdigen Namen „Deutsche-Bank-Park“ trägt.
Eintracht Frankfurt – Olympiacos Piräus
Angekommen am Eingang brach nun auch über Frankfurt ein Sturm hinweg, nachdem es den ganzen Tag eigentlich recht ruhig geblieben war. Ich entschied mich dennoch, mich schon am Einlass anzustellen, was sich sofort als Fehler erwies. Während die einen sich an der Unterführung am Gleisdreieck unterstellten, wurden andere und ich so nass gemacht wie der Stadtrivale im letzten Derby. Das Unwetter hatte zur Folge, dass die Ticketscanner streikten. Auch die anwesenden menschlichen Kräfte schienen ratlos. So zog sich der Einlass locker zehn Minuten hin. Nachdem ich die „Husche“ mit einer frisch erworbenen Pizza überstanden hatte, ging es an den Getränkestand. Meine Wahl fiel auf einen normalen, also kalten, Apfelwein. Der zweite grobe Fehler des Tages. Mir war arschkalt und der kalte Äppler half da nicht wirklich. Zum Aufwärmen gab es warme Gespräche mit meinen Frankfurter Ticketdealer S., der sich für einen heißen Äppler entschied – die eigentlich einzig richtige Wahl bei den Außentemperaturen.
Dann ging es endlich auf unsere Plätze. Oberrang Nordwestkurve – geil! Auch wenn die Frankfurter Ultras um die UF97 noch nicht aktiv und organisiert auftreten, durchzog eine ganz besondere Stimmung das weite Rund. Leider wurde es dennoch eher selten richtig laut, aber wenn der Großteil der 35.000 Zuschauer:innen mitzog, war das Potenzial und die Kraft zumindest vorstellbar. Muss ja auch nicht der letzte Besuch bleiben.
Zum Spiel selbst: Die Eintracht war von der ersten Sekunde an gut im Spiel. Trotz der Niederlage am vorherigen Wochenende am selben Ort gegen den Big City Club war auch das Publikum vollends da – zumindest so wie es eben ohne koordinierten Support möglich ist. Nach 25 Minuten wurde Rafael Borré im Strafraum gelegt. Von unseren Plätzen aus betrachtet ein klarer Elfmeter, in der Fernsehperspektive sah man, wie der griechische Verteidiger unglücklich ausrutschte und der SGE-Stürmer dies dankend annahm. Der Gefoulte trat anstatt des etatmäßigen Schützen Paciencia an und verwandelte zum 1:0. Ich war schon immer ein Fan der Frankfurter Torhymne und in live ist diese noch mal geiler. Doch nur vier Minuten später bekam der Eintracht-Defensivmann Jakic nach einem Freistoß aus dem Halbfeld den Ball unglücklich an die Hand. Aus unserer Perspektive war nichts zu erkennen und auch alle Umstehenden waren ratlos. „Einfach mal Elfmeter pfeifen“, lästerte ein Typ links neben mir.
Nun gut, am Ende war das halt berechtigt. Youssef El-Arabi war’s ohnehin egal und machte das 1:1. Dabei jubelte er provokant vor den gegnerischen Fans, ein Trend der nicht nur nervig ist, sondern auch schlicht respektlos. Kurz vor der Pause hebelte die launische Diva die Olympiacos-Abwehr mit einem astreinen Spielzug aus, an dessen Ende Almany Touré zum 2:1 einschob. Die Leute trauten ihren Augen nicht, dass ihre Mannschaft tatsächlich so etwas wie Fußball spielt.
Nach dem Pausentee spielte die SGE ihren Stiefel runter. In der 60. ließ Paciencia aus gut 20 Metern nochmal eine Fackel ab, Piräus-Keeper Vaclik konnte nur nach vorne abklatschen und Daichi Kamada machte das wichtige 3:1. Gerade die Gästefans rackerten sich nochmal ganz schön ab – inklusive Oberkörperfrei-Einlage. Ihren Schützlingen allerdings fiel nicht mehr allzu viel ein. Ein wichtiger Sieg für die Eintracht, denn mit sieben Punkten hat man einen großen Schritt in Richtung K.-O.-Phase gemacht, und nach nur mäßigem Erfolg in der Liga auch etwas für Moral und Selbstbewusstsein getan. Wie sich aber drei Tage später hinausstellen sollte, half das wenig für die Aufgabe beim VfL Bochum.
1. FSV Mainz 05 – FC Augsburg
Am nächsten morgen ging es per S-Bahn an die Stadt am Rhein – nach Mainz. Da ich um zwölf relativ früh in der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz angekommen war, ging es direkt auf Stadterkundung. Eine schöne, studentisch geprägte Stadt mit einer ansehnlichen, aber versprengten Altstadt. Auch hier imponierte mir das Rheinufer mit Wanderweg sehr. Angekommen im Hotel, in dem gefühlt halb Augsburg nächtigte, wurde erst mal eine Dusche genommen und der Körper gepflegt.
Gegen 18 Uhr brach ich dann auf gen „Mewa-Arena“, welches die aktive Fanszene bevorzugt „Stadion am Europakreisel“ nennt. Der Europakreisel ist der Kreisverkehr vor dem Stadion, welcher eigentlich „Europaplatz“ heißt. Von der Stadt aus ist das Stadion jedenfalls nur per Bus-Shuttle oder per Straßenbahn zu erreichen. Ich entschied mich aufgrund der deutlich geringeren Fahrzeit für das Shuttle. Es war zwar kein Fehler, allerdings ist der Shuttlebahnhof „am“ Stadion ungefähr so weit weg wie der S-Bahnhof Leutzsch vom AKS. Die Straßenbahn hält hingegen direkt vor der Haustür.
Ich staunte nicht schlecht, als ich eine Runde um das Stadion drehte und feststellte, dass dort ein eigenes Restaurant und eine Art Fanzelt beheimatet waren. Ich zögerte aber nicht lange und begab mich gleich ins Innere des 33.305 Zuschauer:innen fassenden Stadions. Die Gastfreundlichkeit gegenüber mir als Fremden war super. Sofort bekam ich das Kurvenheft „Blockbildung“ in die Hand gedrückt, dessen Inhalt sich absolut nicht verstecken muss. Der nächste begeisternde Punkt war das Catering. Bis zum Anpfiff wurde eine Weinschorle, eine Feuerwurst, eine Riesenbrezel und ein Leberkäsebrötchen verhaftet. Alles total empfehlenswert.
Aus Kosten- und YouTube-Gründen nahm ich im Familienblock platz. So konnte ich in Ruhe den Ultras Mainz im Q-Block beim Anflaggen und Einsingen zusehen. Einsingen? Ja. Sowas scheint es hier noch zu geben. Umso nerviger fand ich es, dass die Stadionregie die Musik nicht leiser oder aus gemacht hat. Von der Manpower war ich durchaus überrascht. Ich bin mit geringen Erwartungen in dieses Abendspiel gegangen, und sie waren schon jetzt weit übertroffen. Da steckt durchaus richtig Potenzial und Power in der Kurve. Melodisch war das mehr als stabil, nur textlich muss man vielleicht noch etwas kreativer werden. Nichtsdestotrotz war das ein sehr guter Auftritt mit hoher Mittmachquote. Und das an einem Freitagabend gegen Augsburg.
19.400 Zuschauer:innen belebten die Arena in Mainz-Bretzenheim. Davon waren gut 300 bayrische Schwaben. Im sportlichen Wettbewerb machte Mainz die Sache klar und führte nach Toren von Onisiwo, Bell und Burkhardt nach 25 Minuten bereits mit 3:0. Unter den Augen des Neu-Bundestrainers Hans-Dieter Flick spielte besonders Jonathan Burkhardt groß auf, der auch noch den 4:1 Endstand erzielte, nachdem Andi Zeqiri für Augsburg zwischenzeitlich verkürzt hatte, und bei Spielende mit zwei Toren und einer Vorlage der Matchwinner war.
Die Mainzer Kurve feierte den Sieg mit „Oh, wie ist das schön“ und „Super Mainzer“. Ich machte mich nun aber wieder per Shuttle in die Stadt und lief vom Hauptbahnhof zehn Minuten zu meinem Hotel. Alles in allem ein durchweg überraschend positiver Besuch, an dessen Ende ich fast noch begeisterter war als am Vortag. Ultrà-Support macht viel aus, Freunde.
SV Waldhof Mannheim – FSV Zwickau
Erneut ging es für mich am nächsten Morgen ein Stück weiter gen Süden nach Mannheim. In der Quadratstadt sollte ich meinen 106. Ground kreuzen, um dann im Anschluss nach Leipzig zurückzufahren. Kurz nach 12 Uhr kam ich in der 309.370 Einwohner großen Stadt an und schloss erst mal mein Reisegepäck am Bahnhof ein, bevor ich dann noch zu einem Geldautomaten ging, um die Stadionwurst zu sichern. Kurz vor 13 Uhr kam ich dann per Straßenbahn am Carl-Benz-Stadion an. Neben diesem liegt übrigens das Stadion des VfR Mannheim, welches hundertmal schöner ist, leider war an diesem Tag kein Doppler drin.
Stattdessen ging es zum Waldhof, welcher in meinem Kopf eigentlich immer ein eher linker Verein war. Doch ich wurde bitterböse enttäuscht. Nachdem ich meine Currywurst schnabuliert hatte und meinen Platz eingenommen hatte, flaggten die Zwickauer Gäste um Red Kaos an. Dabei hallten wiederholt „Zwickau – ihr Zigeuner“-Gesänge von den aktiven Mannheimer-Fans durch das Stadion. Ich traute meinen Ohren kaum. Die Waldhofer waren für mich immer die, die mit Frankfurt abhängen und in einer Stadt mit hohem Migrationsanteil leben. Stimmt beides auch. Im Block waren jedenfalls nicht nur Kartoffeln. Dennoch wurden antiziganistische Gesänge angestimmt. Armselig.
Auch der Support enttäuschte auf ganzer Linie. Ziemlich unmelodisch, eintönig und schlicht unkreativ. Das Lied mit der besten Melodie und einzigartigem Text „Oh SVW – wie Heroin“ wurde dann auch gleich viermal angestimmt. Auch wenn „Ultras“ auf der Zaunfahne prangt, das war hier eher englisch. Einen klaren Capo gab es für mich auch nicht auszumachen, wobei der Support auf der Otto-Siffling-Tribüne sicherlich nicht einfach zu koordinieren ist. Zudem zog es auch nur 6.480 Zusehende in das Carl-Benz-Stadion, was 27.022 Zuschauer:innen beherbergen könnte.
Die Zwickauer, etwa 350 Leute, zogen ihr Ding durch und wurden kurz vor Schluss mit dem Ausgleich von Ex-Sachsen-Leipzig-Jugendspieler Dominic Baumann belohnt. Der machte mir zwar den Tipico-Schein kaputt, allerdings hatte der Waldhof sämtliche Sympathien von mir verspielt und so war ich beinahe froh über den Zwickauer Punkt.
Nach dem Spiel ging es schnell zum Mannheimer Hauptbahnhof und über Frankfurt zurück nach Leipzig. Am nächsten Vormittag fand ich mich mit drei anderen CE-Mitgliedern in einer Leutzscher Kneipe wieder und wenig später wieder im AKS, um so mein viertes Spiel in vier Tagen komplett zu machen.
Die Tour in Zahlen
- 4 Tage, 4 Spiele, 14 Tore, 3 Heimsiege & 1 Unentschieden.
- 64.106 Zuschauer:innen
- 821 km zurückgelegt
- Kosten: 228,80€ (Züge, Hotel, Tickets)