Der (Mit)macher des Erfolgs

Als er nach Leipzig kam, da kämpften zwei Vereine in Leutzsch um das grün-weiße Erbe in der sechstklassigen Sachsenliga. Jetzt geht er weg von einem Regionalligisten, der solide dasteht, den besten Kader seit der Neugründung hat. Andy Müller-Papra ist nicht mehr Sportlicher Leiter der BSG Chemie. Das gab die BSG am Dienstag bekannt.

„Ich bin ein ehrgeiziger Mensch, der seinen persönlichen Ansprüchen in allen Belangen gerecht werden möchte. Mit dem zunehmenden Pensum und der zeitgleich andauernden Mehrfachbelastung bei Chemie, im Hauptberuf und in der Familie ist dies leider nicht möglich“, heißt es in der Pressemitteilung zum Rücktritt. Sein Rücktritt sei jetzt erfolgt, damit Chemie in der Winterpause einen Nachfolger bestimmen könne. Die Vereinsführung sei überrascht. Als Spieler ist Müller-Papra zweimal mit Chemie aufgestiegen, als Sportlicher Leiter führte er die BSG zurück in die Regionalliga und etablierte sie in der vierten Liga. Zeit zurück zu schauen. Und Danke zu sagen. Aber auch zu fragen, was bleibt übrig?

Anfänge in Leutzsch: Andy Müller Fußballgott

Nach Leutzsch kam AMP 2011 nach dem Ende des FC Sachsen aus Plauen, wenn auch zum falschen Verein. „Ich kam nach meiner zweijährigen Zeit in Plauen nach Leipzig und suchte einen Verein. Mit Chemie kam es irgendwie nicht zustande, also kickte ich dort“, erzählte er Jens Fuge

Für die SGLL spielte er drei Jahre, schoss die Sachsenliga zu klump und wechselte nach der Insolvenz der „SG Sachsen Leipzig“ 2014 zu unserer BSG. Mit der stieg er zwei Jahre später in die Oberliga auf, schoss 16 Tore in 30 Spielen und war im Jahr darauf auch maßgeblich am Durchmarsch in die Regionalliga beteiligt. Zusammen mit Tommy Kind bildete Andy Müller Fußballgott das gefährlichste Sturmduo der Liga, erzielte mit Mitte 30 noch mal 12 Tore. Im letzten Spiel der Saison gegen Schott Jena verließ er nach 55 Minuten das Feld und kam nicht mehr zurück. Die Schuhe an den Nagel gehängt nach einer Sensation, für die er maßgeblich verantwortlich war. Und vor weiterer Verantwortung wollte er sich nicht drücken.

Rückkehr als Sportlicher Leiter

Ein Jahr nach dem er die aktive Laufbahn beendet hatte, ging es für Grün-Weiß zurück in die Oberliga. Chemie holte den ehemaligen Knipser zurück in den Verein. Der Sportbuzzer zitierte AMP damals:

„Die BSG Chemie ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich hab ja auch ein paar Jahre hier gespielt, wohne in Leipzig. Es war für mich eine große Ehre, als Frank (Frank Kühne, d. R.) anrief und mich fragte, ob ich mir das vorstellen könnte. Da war meine Entscheidungszeit nicht sehr lang (…) Sportlicher Leiter ist natürlich eine Herausforderung. Aber ich kenne auch einen großen Teil der Mitarbeiter und Spieler. Mir ist einfach nur wichtig, dass wir zeitnah Erfolg haben und dass wir unser Ziel schaffen. Ich gehe mit der Situation eher entspannt um.“

Sportbuzzer

Bis Andy Müller Fußballgott die Funktion des Sportlichen Leiters übernahm, gab es diese Position bei der BSG nicht. Dietmar Demuth war bis dahin in Doppelfunktion verantwortlich für die Verpflichtung UND das Training der Spieler. AMP gab aus: „Wir müssen jetzt erst mal schauen, dass wir eine schlagkräftige Truppe zusammen bekommen, die das Ziel erfüllen kann, so schnell wie möglich wieder in der Regionalliga zu spielen.“ Die schlagkräftige Truppe, die bekam Chemie zusammen: Andy Wendschuch, Kai Druschky, Max Keßler kamen, Flo Kirstein wurde aus der zweiten hochgezogen. (Welche Rolle Demuth an diesen Verpflichtungen hatte, das kann ich nicht sagen).

Nach phantastischem Auftakt mit zehn Siegen in Folge in der Oberliga, einem Tor eines gewissen Kai Druschky im DFB-Pokal und dem ersten Flutlichtspiel in Leutzsch geriet Chemie ins Straucheln. Der Verantwortliche war schnell ausgemacht und musste gehen. In der Pressemitteilung zur Entlassung des Erfolgstrainers Dietmar Demuth wird AMP zitiert: „Mit der sportlichen Situation unserer Mannschaft sind wir insgesamt absolut unzufrieden“

Von der Entlassung Demuths

In den Medienberichten zur Entlassung zitierte man schockierte Fans und rieb sich vielleicht schon etwas die Hände: War der Leutzscher Chaos Club zurück? Der Sportbuzzer publizierte Bildergalerien, zitierte lokale D-Promis. Ich habe es damals auch nicht ganz verstanden, aber Trainer kommen, Trainer gehen. Und der, der kam, ist bis heute da. Keinen Monat hatte es gedauert, bis Miroslav Jagatic da war.

„Miroslav hat mich mit seiner Kompetenz und mitreißenden Art überzeugt (…) Als wir über Chemie sprachen, merkte ich, wie sehr er für den Job brennt. Er soll mit der Mannschaft den nächsten Schritt gehen, ihr fußballerisch und taktisch seinen Stempel aufdrücken. Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.“

Sportbuzzer

Jagatic war keine abgefahrene Entdeckung von Andy Müller Papra, stand auch schon als Trainer eines Gegners in Leutzsch an der Linie, hatte sich nach Eigenaussage „ganz klassisch beworben“. Doch er hat nach Leutzsch gepasst wie Arsch auf Eimer und das haben AMP und Co erkannt. Die Mannschaft stieg auf und der Rest ist Geschichte.

Neuzugänge seitdem? Benjamin Bellot, Benny Boltze kehrten zurück nach Leutzsch, einen Morgan Faßbender grub Chemie in der Oberliga Baden-Württemberg aus, holte Lucas Surek aus der zweiten dänischen Liga, sicherte sich Burim Halili vom insolventen FC RW Erfurt, eiste regelmäßig Spieler vom Ortsrivalen los (Stephané Mvibudulu, Pascal Pannier, Denis Jäpel) und holte sich Talente, die in Aue, Jena oder Cottbus ausgebildet wurden (Björn Nikolajewski, Timo Mauer, Paul Horschig, Ben Keßler), um letztendlich zu der laufenden Saison gestandene Profis nach Leutzsch zu lotsen. Klar, es gab auch Busts mit großen Namen (Elvir Ibisevic), die teils nicht länger als ein paar Trainingseinheiten vorbei schauten (Luca Beckenbauer). Doch eines ist klar: Die BSG steht sportlich inzwischen besser da als zum Amtsantritt von Andy Müller-Papra, hat sich in allen Mannschaftsteilen verbessert, hat gigantische Schritte in der Infrastruktur gemacht und schafft es, den Standort Leutzsch an Talente wie gestandene Spieler zu verkaufen. Immer mit dabei: Andy Müller Fußballgott.

Danke, Andy Müller

Im Sportbuzzer erschien ein Artikel, die seine Karriere Revue passieren ließ. Und in dem er auch positiv zurückblickt auf die Entwicklung der BSG in seiner Zeit als Sportlicher Leiter. „[Wir haben] uns von Saison zu Saison weiterentwickelt, uns nach vorn bewegt. Und unser Kader ist nicht nur stärker, sondern auch breiter geworden.“

Wir wissen (noch) nicht, was seine genauen Beweggründe sind, und darüber zu spekulieren, möchte ich eher nicht. Dass aber in Anbetracht der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Situation Menschen über ihre Lebenslage und ihre Gesundheit nachdenken, das kann ich verstehen. Vor allem, wenn die Lage für deinen Nebenjob auch nicht die einfachste ist. Und wer dann Entscheidungen für sich und seine Familie trifft, dem zolle ich Respekt. Vielleicht wird er sich noch ausführlicher äußern, bis dahin könnt ihr ihm noch in einem Interview mit Jens Fuge lauschen, was im Mai dieses Jahres anlässlich des 40. Geburtstags von Andy Müller-Papra geführt wurde. Es lohnt sich.

Was übrig bleibt

Ich habe diesen Text geschrieben, um einen Mann für seine Leistungen für unseren Verein zu würdigen. Doch fiel es mir schwer nachzuvollziehen, was genau seine Leistungen waren. Also nach seiner Zeit als Aktiver. Dass er ein wichtiger Teil des Teams war, was die BSG dahin geführt hat wo sie steht, ist unumstritten. Aber so wirklich durchdrungen habe ich es nicht. Das lässt mich unzufrieden zurück. Doch es zeigt vielleicht auch, wie undurchsichtig das System Fußball ist, auch in Leutzsch.