Unter Freunden

Seit der Pandemie hat sich einiges sowohl in der Gesellschaft als auch im Fußball geändert. Eines ist jedoch gleich geblieben und wird sich hoffentlich nie ändern – die Freundschaft zu den Adlern aus Frankfurt am Main. Deshalb kommt heute ein SGE-Anhänger zu Wort der schon einige Jahre unsere chemische Twitterbubble verfolgt. Was man immer im AKS dabei haben sollte, was die Fanfreundschaft ausmacht und warum man plötzlich Grünes Zeugs im Taschentuch findet und was Chemie damit zu tun hat, erfahrt ihr in diesem Artikel.

BSGE! (Bild: @Fauli_Kev)

Vielen Dank, das du Dir die Zeit für uns nimmst. Auch wenn Dich die allermeisten Twitter-Chemiker längst kennen, nicht wenige sogar persönlich, stell dich doch mal unseren Lesern vor.
Gude, ich bin der Jürgen oder auf Twitter als SGE_Gonzo unterwegs. Ansonsten flotter Anfangsvierziger, passionierter Fußballfan und Familienvater eines Junioradlers.


Wie bewertest du die gerade-zu-Ende-gegangene-Saison der Eintracht?
Puh, typische Diva-Saison. Heute Abstiegssorgen, dann ein Sieg und prompt CL-Ambitionen. Aber mal ernsthaft – Konstanz ist die fehlende Stellschraube über die letzen Jahre. Die Eintracht ist in meinen Augen immer für eine Überraschung gut, braucht aber manchmal auch das Glück und die Hilfe anderer Vereine. COVID-19 hat meines Erachtens die Rückrunde nochmals besonders geprägt. Viele sagen, dass eine Mannschaft professionell genug sein muss, auch in Geisterspielen zu überzeugen. Als jahrzehntelanger Stadiongänger und Dauerkarteninhaber in der Nordwestkurve bin ich aber der Überzeugung, dass gerade die Fans im heimischen Stadion der Mannschaft die Extraprozente mitgeben und das ein oder andere Spiel drehen können. Ich bin ebenfalls der festen Meinung, dass die SGE MIT Fans daheim gegen Basel das Spiel in der Euroleague nicht verloren hätte (zumindest nicht so deutlich). Wie gesagt, ganz persönliche Sichtweise.

An COVID-19 gibt es momentan leider kein Vorbei, wie hast du die Geisterspiele verfolgt, bzw. hast du sie überhaupt gesehen und was machen diese mit dir und deinem Fandasein?
Ich habe erfolgreich mein Sky-Abo im November 2019 beendet (da ich bei den Heim- und bei vielen Auswärtsspielen im Stadion bin) und habe nur noch DAZN für die Randzeiten, die EL und für die Familie. Die ersten Geisterspiele habe ich ignoriert, dann 1-2 auf Amazon gehört und ansonsten klassisch mit meinem Sohn auf die Sportschau-Zusammenfassung gewartet und diese geschaut. Geht auch! Natürlich ist es traurig, nicht mit dem Rest in der Kurve zu stehen oder eine 4,5 Stunden Busfahrt nach Dortmund im Bus ohne Klo zu machen, aber eines steht fest: ich werde den Besuch der Spiele im Falle von Teilöffnungen (und denkt mal an die ganzen Repressalien im Umfeld des Spieltages) boykottieren. Ganz oder gar nicht, und wenn es erst 2021 sein wird!

In den letzten Jahren, habt ihr Woche für Woche so viele Highlights erlebt, welches sticht bei Dir heraus?
Boah, sehr schwierig, da es ja ein kontinuierlicher Ritt auf der Welle der Glücksmomente war. Es fing an mit dem Unentschieden gegen Wolfsburg und der EL-Teilnahme 2013 nach fast 20 Jahren Pause. 12000 in Bordeaux, 2016 Relegation gegen Nürnberg, Tiefschlag mit Krebsdiagnose Marco Russ, magischer Montag mit Haris Seferovic, Pokalsieg 2018, erneut Europa, alleine 5000 auf Zypern oder 15000 in Mailand, Elfmeterschießen gegen Chelsea im HF, tröstende Chemiker auf dem Zaun. Und zwischendrin immer wieder ein Aufstieg der BSG und die beiden Freundschaftsspiele. Da kann man sich nicht festlegen. Nach jahrelanger Entbehrung nimmst du alles mit was geht. Die Eintracht ist ja nicht der FC Boring München.

Nachdem wir nun die Frankfurter Eintracht kurz umrissen haben, wie schaust du aus der Entfernung auf die Saison der BSG Chemie Leipzig?
Auf den ersten Blick würde ich sagen, schwankungsreich analog zur Eintracht. Teilweise knapp Punkte liegengelassen, viele Remis und gerade zur Rückrunde eher schwächere Tendenz. Somit gesehen, war der Saisonabbruch vielleicht nicht die schlechteste Option, ansonsten hätte ich mir vorstellen können, dass es nach unten nochmals enger hätte werden können. Ein weiteres Jahr Regionalliga schadet sicherlich nicht.

Wie empfindest du den eingeschlagenen Weg seit unserer Neugründung und wo siehst du uns in Zukunft?
Was Chemie Leipzig und seine Fans seit Jahren mit ja doch arg begrenzten Mitteln Jahr für Jahr auf die Beine stellen, ist meines Erachtens beispiellos. Wenn sich dazu die bereits ganz oben genannte Konstanz einstellt und weiterhin solide gewirtschaftet wird, mache ich mir um euch keine Sorgen! Und zur Not gibt es Freundschaftsspiele, falls es kurzfristig mal hakt (:-)).

Der Alfred-Kunze-Sportpark wird in diesem Jahr stolze 100 Jahre jung, was macht für dich unser Stadion aus?
Es ist einfach die Tradition, das Flair, der Charme. Genauso (Achtung nicht schlagen!) wie z.B. der alte Wildpark in Karlsruhe oder Craven Cottage von Fulham in London. Dies in Kombination mit einer kreativen Fanszene und schon hat man, das was das Fußballherz höher schlagen lässt. Keine herzlose, eiskalte Baumarktbude mitten auf einem Feld (Grüße gehen exemplarisch nach M1, Ingolstadt oder Paderborn!)

Wie hast du die BSG eigentlich für dich entdeckt und was macht unseren Club für Dich so liebenswert, dass es Dich regelmäßig ins Leutzscher Holz zieht?
Lass mich Grübeln – das hängt auch mit meinen Twitteranfängen zusammen, ein Kumpel hatte zusätzlich Verwandtschaft in Leipzig, man schrieb sich mit Leuten, nahm Kontakt auf und der erste Besuch im AKS müsste 2013 gewesen sein. Definitiv erinnere ich mich an das Aufstiegsspiel 2014. Seitdem versuche ich immer zum letzten Heimspiel in den AKS zu kommen, ansonsten lässt der Spielplan der Eintracht und die Familie nicht mehr zu. Dies ist aber soweit eine schöne Tradition und ein herzliches Beisammensein geworden.

Hast du für uns auch ein Highlight, welches du gern mit unserer Leserschaft teilen möchtest?
Nach den ersten 1-2 Mal hatte ich dann immer Sonnencreme dabei und KEIN schwarzes T-Shirt an – auf dem Norddamm gehst du sonst gnadenlos ein!
Und eine Choreo ist mir im wahrsten Sinne im Kopf geblieben, ich stand leider einmal zu nahe an einem Rauchtopf – Tage später schnäuzte ich noch grünes Zeugs aus der Nase. Tja passiert.

Grüner Rauch sieht nicht nur schön aus – manchmal findet man ihn auch Tage später im Taschentuch wieder 🙂 – Bild: @Fauli_Kev

Wie nimmst du die Fanfreundschaft unserer beiden Vereine wahr und was macht diese für dich aus?
Die Anfänge gehen ja rein auf die Ultra-Freundschaft beider Fanszenen zurück, die sich auch über Einzelpersonen anbahnte. Da wollte ich mich nie reindrängen. Ich bin da recht eigen, respektvolles Auftreten ohne den Macker zu schieben, kleidungstechnisch angepasst (ich mag keine Normalo-Besucher (wie ich mich selbst sehe), die sich komplett in Eintrachtklamotten mitten in den Diablos-Block stellen etc.). Das gehört sich nicht. Es hat sich sicherlich die vergangenen Jahre verändert und über die reinen Ultra-Grenzen hinaus geweitet, trotzdem steht man als Gast im Heimbereich und nicht in der Heimkurve des Waldstadions! Mit diesem Ansatz bin ich bis dato gut gefahren und auch die Rückmeldung meiner chemischen Freunde bestätigt dies. Und so Geschichten wie meine gibt es sicherlich mehrere. Insgesamt wird in meinen Augen die Verbreiterung der Fanfreundschaft von allen Seiten positiv gesehen – solange man sich benimmt! Da hilft es vielleicht auch, dass ich keine 22 Jahre mehr bin.

Ich möchte deine Zeit nicht überstrapazieren, drum lass uns langsam zum Schluss kommen. Aber nicht ohne nochmal auf den Fußball als Ganzes zu schauen. Wie hat sich dieser in den letzen Jahren verändert und was würdest du verändern, wenn du mal an den Hebeln der Macht sitzen dürftest?
Das würde tatsächlich jetzt den Rahmen sprengen, justiziabel werden oder eine erneute Sperre auf Twitter zur Folge haben, aber lasst es mich so ausdrücken (und da kommt der Fußballnostalgiker wieder raus) – eine sportlich attraktive 2. Liga ist mir 1000x lieber, als die ganzen Firmengesponsorten-Pseudo-Vereine, die schalten, walten und betrügen können, damit die ehrenwerten Personen des DFB ihr Produkt einseitig durchdrücken können. Den Rest erzähle ich nur persönlich.

Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder live mit Bier und Bratwurst am/im Stadion. In diesem Sinne, Grün-Weiße Grüße an die Metropole am Main.
Vielen Dank, dass ich ein paar Zeilen schreiben durfte, bleibt stabil und gesund, wir sehen uns bald wieder!
„Und wir halten zusammen, wie der Wind uns das Meer…“ #BSGE

Eintracht Frankfurt und Chemie! (Bild: @Fauli_Kev)